Gemeinschaftstour Lechtaler Höhenweg

Kaiserschmarrn, Schneefelder und Murmeltiere

Ein Bericht von Andreas Waetzoldt über die Gemeinschaftstour vom 13. bis 20. Juli 2019

Lechtaler Höhenweg Juli 2019 -Fantastische Ausblicke
Fantastischer Ausblick am Hinterseejoch zwischen Kaiserjochhaus und Ansbacher Hütte.

Ein Anfang mit Schrecken: Nur wenige hundert Meter vor dem Hotel in Imst rammt ein Traktor den Wagen von Manuela und Michael. Michael ist verletzt, der Wagen Totalschaden. Die Verletzungen erweisen zur großen Erleichterung als leicht, dennoch ist die Laune und Reiselust natürlich im Keller. Nach dem Unfallabwicklung, Rückreise und Gepäcktransfer organisiert sind, verabschieden wir uns traurig und geschockt von den beiden und starten nur noch zu viert zum Lechtaler Höhenweg.

Mit Taxi, Bahn und Bus geht es von Imst an den Tourbeginn in Zürs. Nach dem Ausstieg aus dem Postbus in Zürs präsentiert sich selbiges als gespenstische Sommerödnis, die wohl nur zur Skisaison zum rummeligen Leben erwacht. Zunächst über Versorgungswege und Skipisten, danach über schöne Wiesenhänge steigen wir rasch die 600 Höhenmeter zum Tagesziel Stuttgarter Hütte auf.

Lechtaler Höhenweg Juli 2019 -Überqueren von Schneefeldern
Überqueren von Schneefeldern

Nach einem rühmenswerten Frühstück queren wir tags darauf kurz hinter der Hütte das erste Schneefeld. Unzählige weitere werden in den nächsten Tagen folgen. In Erwartung einer kurzen Tagesetappe zur Leutkircher Hütte nehmen wird noch die Fanggekarspitze mit 2.640 m als lohnendes und aussichtsreiches Gipfelziel mit. Aus „kurz“ wird allerdings nichts – ein abgerutschtes Wegstück zwingt uns  auf den sehr viel längeren (und kalorienreicheren) Umweg über den Fahrweg und die Jausenstation Bodenalpe. Mit gefülltem Bauch geht es von dort über steile Kehren aufwärts bis zu einer idyllischen blumenbestandenen und bachdurchflossenen Hochebene, über der die Leutkircher Hütte trohnt.

Vor der Hütte

Am nächsten Tag starten wir nebelumhangen zum Zwischenziel Kaiserjochhaus. Nach einem kurzen Kaffee dort kraxeln wir durch das Schroffen- und Schuttgelände an den Südhängen von Gries- und Kreuzkopf. An der Kridlonscharte treffen wir unvermittelt auf ein paar tiefenentspannte Murmeltiere, die sich an unserer Gegenwart nicht stören und uns bis auf wenige Meter an sich heran lassen. Der Weg zieht als fordernde Panoramatour mit fantastischen Ausblicken weiter über das Hinterseejoch, Alperschonjoch und dem Flarschjoch zur Ansbacher Hütte. Trotz ein paar Regentropfen erreichen wir die Hütte noch leidlich trocken.

Morgens geht es erfreulicherweise wieder im Sonnenschein weiter. Da mittlerweile klar ist, dass der  direkte Weg zur Augsburger Hütte, der Augsburger Höhenweg, aufgrund der Schneeverhältnisse zeitlich und technisch nicht in Frage kommt, einigen wir uns alternativ auf das „Wagnis“ Memminger Hütte. Auf dem Weg dorthin sorgt ein ausgedehntes Schneefeld hinter der Grießlscharte für einen rasanten und knieschonenden Abstieg. Wir mögen uns gar nicht ausdenken, wie quälend mühsam der Aufstieg über das besagte Schneefeld für die Entgegenkommer sein mag. Über steile rutschige Grashänge führt der Weg dann aus dem schönen Parseiertal hinauf auf die Memminger Hütte. Mehrfach müssen wir Umwege laufen, da auch hier Hangstücke abgerutscht sind. Bei Nässe dürfte dieser lehmige und grasige Pfad nicht ungefährlich sein.

Der Versuch, das ursprünglich gebuchte Quartier in der Augsburger Hütte telefonisch abzusagen, scheitert zunächst mehrfach am fehlenden Netz. Erst an der Memminger Hütte gibt es auf dem hütteneigenen Telefonberg, dem Seekogel, wieder Netz. Die Augsburger Hüttenleute sind wegen der späten Absage verständlicherweise etwas verschnupft – die reichlich patzige Antwort lässt den Anrufer die zusätzlichen 170 Telefon-Höhenmeter auf den Seekogel und die nun verfallene Reservierungsgebühr dann allerdings doch etwas reuen…

Lechtaler Höhenweg Juli 2019 - Memminger Hütte
Lechtaler Höhenweg Juli 2019 – Memminger HütteDie eindrucksvoll gelegene Memminger Hütte, betrachtet vom „Telefonberg“ der Hütte – nur dort gibt es Netz – dem Seekogel. Zusätzliche 170 Höhenmeter für ein Telefongespräch…..Lechtaler Höhenweg Juli 2019 – Memminger Hütte

Die zu unrecht vielgeschmähte Memminger Hütte liegt zentral an der Alpenwanderautobahn, dem E5 in eindrucksvoller Landschaft. Auf der Hüttenterrasse verfolgen wir etwas fassungslos den endlosen Zug der geführten Wandergruppen und staunen über die Gepäckberge, die die Materialseilbahn unermüdlich heranschafft. Föhngeräusche und das Brummen von elektrischen Zahnbürsten aus den Sanitärräumen klären später – zumindest teilweise – über den rätselhaften, aber offenkundig unverzichtbaren Inhalt dieser gewaltigen Rücksäcke und Taschen auf. Der Bahnhofstrubel ist nach der Stille der letzten Tage ungewohnt. Die Hüttenwirte gehen jedoch fair auf die Bedürfnisse der „nicht gruppengeführten“ Bergwanderer ein und verteilen z.B. Abendessen und Frühstück auf zwei Sitzungen. Die Nacht im Großlager bleibt dennoch unruhig, stickig und kurz.

Das Frühstück am nächsten Morgen wird bewusst in die Länge gezogen, um den geführten Wandergruppen einen tüchtigen Vorsprung zu geben. Genutzt hat es nichts, schon am mittleren Seewisee hängen wir im Stau. Das Rätsel um ein Paar veritable Handschellen, die an den Seilsicherungen der Seescharte baumeln, sorgt trotzdem für Kurzweil. Hinter der Scharte zweigt unser Weg zum Württemberger Haus ab und es wird wieder einsam. Nach einer langen aussichtsreichen Rast auf der Großbergspitze steigen wir zum urigen Württemberger Haus ab, stärken uns mit Kaiserschmarrn und Getränken und verbummeln den Nachmittag mit Ausrüstungs- und Seelenpflege. Abends albern wir herum und entwickeln neue Kursideen für die DAV-Ausbildung:

Gaby:  Grundkurs Gewässerüberquerung – Bäche sind Freunde!
Michael H.: Deckenfalten für Anfänger und Fortgeschrittene
Michael L.: Bergsteigen mit verschränkten Armen – die geheime Lauftechnik der Shaolin-Mönche
Andreas: Morgendliche Selbstorganisation – ein Aufbruch unter 2 Stunden ist machbar!

Das Württemberger Haus besitzt die mutmaßlich aussichtsreichste und kälteste Dusche der Tiroler Alpen. Ein hoher Felsbrocken, darauf ein Schlauch vom Stausee des Wasserkraftwerks mit Brausekopf – mehr braucht es nicht für die urige Freiluftdusche zwischen Bachbett und Schneefeld. Die kilometerweite Aussicht entschädigt für die gänzlich fehlende Privatsphäre (Vorsicht: neugierige Steinböcke!) und das aufschreikalte Wasser. Lange anstehen muss man auch nicht…..

Die nächste Etappe am Folgetag hat es in sich. Über diverse steile Joche und Scharten geht es über die schön gelegene Steinseehütte und die vordere Dremelscharte zur Hanauer Hütte. Durch das Roßkarschartl hangeln wir uns wegen der Steinschlaggefahr einzeln und nacheinander an einem Knotenseil hoch. Hinter dem letzten „Tageshindernis“, der kraftraubenden Dremelscharte, freuen wir uns wieder über ein günstig geneigtes, großes Schneefeld, dass den Abstieg deutlich beschleunigt. Mehr oder weniger elegant surfen wir auf dem sulzigen Schnee Richtung Hütte. Surf City, here we come…..

Lechtaler Höhenweg Juli 2019 - Am Galtseitenjoch
Am Galtseitenjoch

Am Morgen folgt dann ein nicht enden wollender Aufstieg zum Galtseitenjoch. Der Winter hat die Geröll- und Blockfelder gründlich verschoben, so dass wir oben ein wenig nach den Markierungen suchen müssen. Nach einem Zwischenabstieg durch einen Talkessel geht es quer durch die Kübelwände unbarmherzig aufwärts Richtung Muttekopf. Der bröselige Fels ist immer wieder mit steilen, teils schneegefüllten Rinnen durchsetzt, deren Querung kniffelig ist. Oben an der Muttekopfscharte steigen ein paar Unermüdliche noch für das breit grinsende Siegerfoto zum Gipfel des Muttekopfs auf. Beim Abstieg ist ein einzelnes Gamsbein am Wegesrand letzter Zeuge einer mutmaßlichen Mahlzeit eines Greifvogels. Wie groß muss ein Vogel sein, dass er eine Gams transportieren kann? Mit etwas bangen Blicken Richtung Himmel legen wir die letzten Meter zur direkt an den Fels gebauten Muttekopfhütte zurück.

Mit Kaiserschmarrn und Radler feiern wir die letzte Etappe der gelungenen Tour. Den perfekten kulinarischen Abschluss gibt es Abends: Der Koch der Muttekopfhütte feiert seinen 30ten Geburtstag mit einem äußerst leckeren Dreigangmenü, dass uns mit der lautstarken nächtlichen Geburstagsfeier versöhnt. Beim Frühstück am nächsten Morgen bewundern wir das Durchhaltevermögen der Partygäste, die letzten feiern – wankend, aber wacker – immer noch auf der Hüttenterrasse.

Für den morgendlichen Abstieg ins Tal folgen wir dem Tipp einer Wanderbekanntschaft: Wir wandern das kurze Stück von der Muttekopfhütte zur Bergstation der Seilbahn, fahren zur Mittelstation und legen die letzten paar hundert Höhenmeter ins Tal rasant mit dem AlpineCoaster – einer Sommerrodelbahn – zurück. Familie Horst sammelt uns ein und bringt uns zurück zu den Autos in Imst. Danke für diese wunderschöne Tour – insbesondere an Michael Lautenschläger als Organisator!

Lechtaler Höhenweg Juli 2019 -Fantastische Ausblicke
Fantastischer Ausblick am Hinterseejoch zwischen Kaiserjochhaus und Ansbacher Hütte.

Fazit:

Der Lechtaler Höhenweg ist, obwohl er „nur“ im 2000er-Bereich verläuft, eine äußerst lohnende, überraschend alpine und vielfältige Tour. Vom kurzen Teilabschnitt parallel zum E5 einmal abgesehen, bietet er ein vergleichsweises ruhiges naturnahes Wandern und fantastische Aussichten. Es handelt sich allerdings um eine – für eine Hüttentour – vergleichsweise anspruchsvolle Route. Fast nur „rote“ und diverse „schwarze“ Wege mit einigen Ier- und IIer-Kletterstellen in bröseligem Fels. Entsprechende Erfahrung, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind Voraussetzung. Bei den Hütten empfiehlt sich frühstmögliche Reservierung. Geringe Netzabdeckung fürs Mobiltelefon!

Der Lechtaler Höhenweg bietet mehrere alternative Wegführungen. Die von uns gewählte Route ist nur eine von mehreren Varianten. Mehr Informtionen unter www.lechtaler-hoehenweg.at.

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